Hallo ihr Lieben,
dieses Jahr wurde mein Interesse für Konzerte geweckt und dabei wurde ich direkt mit den Herausforderungen konfrontiert, die man als Rollstuhlfahrerin hat. Neben dem komplizierten Verfahren an Tickets zu kommen, da man eben nicht einfach online buchen kann, sondern erst mal in der Hotline hängt, stellt sich die Frage nach Rollstuhlplätzen.
Das Positive vorweg: Vor allem bei großen Konzerten wird an uns RollstuhlfahrerInnen gedacht. Oftmals gibt es sogar extra abgesperrte Bereiche, die teilweise erhöht sind, damit man besser auf die Bühne sehen kann. Wenn sich dieser Bereich auch noch nahe der Bühne befindet, wird das Konzert zu einem tollen Erlebnis. Mittendrin statt nur dabei. Allerdings musste ich letztes Jahr auch feststellen, dass ein abgesonderter Bereich für RollstuhlfahrerInnen nicht der
Garant für ein tolles Konzerterlebnis sein muss. Bei einem Konzert auf dem ich dieses Jahr war, war der Rollstuhlbereich ganz hinten, so dass der Interpret auf der
Bühne nur winzig zu erkennen war. Es gab zwar eine Übertragungsleinwand, allerdings war sie von meinem Platz aus nicht zu sehen, da sie von der Bühne verdeckt wurde. Wenn man schon Rollstuhlplätze hat, dann sollten sie entweder vorne sein oder zumindest mit Blick auf die Leinwand. Die Absicht war gut, aber
an der Umsetzung hat es gehapert.
Und dann machte ich letztes Jahr auch noch die Erfahrung, dass ich gar nicht erst zu einem Konzert gehen konnte, da es in einem Keller ohne Aufzug stattfand. Runtertragen war auch keine Option, da dies der Veranstalter untersagt hatte. Es sei verboten, da man im Notfall nicht evakuiert werden könnte.
Dass neben den räumlichen Umständen und den Vorgaben des Veranstalters auch der Künstler selbst zu einem positiven Konzerterlebnis beitragen kann, habe ich beim Konzert von Fabian Wegerer erlebt. Es gab keine extra Rollstuhlplätze, was mir direkt am Telefon beim Buchen gesagt wurde. Allerdings wurde darauf geachtet, dass alle RollstuhlfahrerInnen ganz vorne an der Bühne standen. Ich konnte alles sehen und ließ mich von der mega Stimmung mitreißen. Nach dem Konzert konnte man sich noch am Fanartikelstand eine Autogrammkarte holen oder ein Foto mit ihm machen. Allerdings stellte ich schon beim Betreten der Konzerthalle fest, dass der Stand nur über Treppen zu erreichen ist. Na toll – erst keine Rollstuhlplätze und dann nicht mal die Möglichkeit auf ein Autogramm?
Doch nach dem wundervollen Konzert wurde ich von Fabian Wegerer total überrascht. Plötzlich stand er neben mir, fragte ob ich ein Foto möchte und ob er mir eine Autogrammkarte holen soll. Die Schlange am Stand war mittlerweile sehr lang und doch nahm er sich die Zeit zunächst zu den RollstuhlfahrerInnen zu gehen, die keine Chance gehabt hätte sich regulär anzustellen. Respekt an den
Künstler, dass er uns nicht vergessen hat.
So oft werden wir vergessen! Jeder Mensch sollte die Möglichkeit haben an kulturellen Angeboten teilzunehmen. Dennoch wird uns diese Möglichkeit oft verwehrt. Warum gibt es keine einheitlichen Regelungen? Wäre es denn wirklich so schwer immer Rollstuhlplätze einzuplanen? Klar, es gibt immer noch so viele Konzerthallen, die nicht barrierefrei sind. Es wäre wünschenswert, dass jedes öffentliche Gebäude barrierefrei wäre. Die Realität sieht aber anders aus. Allerdings könnte man ja Konzerte nur in barrierefreien Locations stattfinden lassen. Davon gibt es auch einige. Ich verstehe natürlich, dass gerade kleine KünstlerInnen, die am Anfang ihrer Karriere stehen, über jeden Auftritt froh sind und deswegen nicht auf Barrierefreiheit achten können. Dennoch bleibt bei mir das Gefühl ausgeschlossen zu sein. Als Mensch mit einer Einschränkung fällt mir immer wieder auf, nicht meine Behinderung behindert mich, sondern die mangelnde Barrierefreiheit. Ich hoffe, dass in Zukunft immer mehr für Barrierefreiheit gemacht wird, damit meine Frage nicht mehr sein muss: „Kann ich mit Rollstuhl auf dieses Konzert?“, sondern: „Wo geht es als nächstes hin?“.
Anette Michalski